SSETI Express

SSETI Express

Im Jahr 2003 wurde festgestellt, dass einige der engagiertesten und erfahrensten Studenten bei SSETI sich ihrem Studienabschluss näherten, ohne dass sie jemals die Chance hatten, die von ihnen entwickelte Hardware fliegen zu sehen. Deswegen wurde "SSETI Express" geschaffen, eine Mission, die darüber hinaus als Motivationshilfe, technologisches Testobjekt, und vor allem als Demonstration unserer Fähigkeiten dienen sollte.

Im Herbst 2003 wurden sämtliche bereits verfügbaren Hardware-Elemente zusammengetragen und Anfang Dezember an der ESTEC ein Kick-Off-Meeting veranstaltet, um eine einfache, realisierbare und interessante Mission ins Leben zu rufen, die existierende Low-Tech-Lösungen verwendet, um High-Tech-Probleme zu lösen.
Besonderes Augenmerk wurde auf eine schnelle Realisierung gelegt, und tatsächlich ist ein Jahr später ein Satellit mit innovativer und interessanter Technologie entstanden, der nach weiteren Tests am 27.10. 2005 mit einer KOSMOS 3M aus Plesetsk gestartet wurde.

Die Mission verfolgte im wesentlichen vier Ziele.

  • Studentische Ausbildung
  • Aussetzung von drei Cubesats
  • Testen der Subsysteme
  • Aufnahmen der Erde

Das Hauptziel, die Ausbildung und Motivation von Studenten wurde mit großem Erfolg realisiert. Während der Mission konnten zwei der drei Cubesats erfolgreich ausgesetzt werden und etwa 70% der Subsysteme erfolgreich getestet werden. Leider konnte aufgrund eines Defekts in der Energiespeicherung, der die Mission vorzeitig beendete, das stuttgarter Subsystem nicht mehr getestet werden. Auch die Aufnahme von Bildern der Erde gelang nicht mehr. Da jedoch das Hauptziel erreicht werden und ein Großteil der Mission trotz des Defekts erfolgreich ausgeführt werden konnte, darf SSETI Express dennoch als Erfolg angesehen werden.

Unser Beitrag

Der Einschub von  Express vor ESEO gab unserem Team die Chance, erst einmal zentrale Komponenten im Flug zu testen und Erfahrungen an einem etwas einfacheren System zu sammeln. Außer dem OCS (Orbital Control System), dem Haupttriebwerk, sind bereits alle Elemente des Prop-Subsystem in ähnlicher Form enthalten.
Aufgrund der großen Anzahl eigener Entwicklungen, momentan noch nicht raumfahrtqualifizierter Teile und der Komplexität des Systems wird die eigentliche Lageregelung von Express von Magnetspulen übernommen, das Prop-Subsystem ist offiziell nur Nutzlast. Nur unser System kann allerdings den Satelliten exakt und frei um drei Achsen kontrollieren.

ACS-RCS Subsystem

Das ACS/RCS Subsystem war als voneinander unabhängigen Systemen von Steuerdüsen konzipiert.

 Die vier ACS-Düsen (Attitude Control System - Lageregelungssystem) waren für die Ausrichtung des Satelliten im Raum z.B. für die Sonnensegel, für Funkempfang oder für Fotoaufnahmen vorgesehen, das RCS (Reaction Control System) sollte dagegen nur in Verbindung mit dem Hauptantrieb (OCS - Orbit Control System) benutzt werden und dessen Störmomente ausgleichen. Dazu war für das RCS ein Druck von 4,5 bar nötig um einen Schub von etwa 0,39 N Schub zu erzeugen, das ACS benötigte 1,5 bar Druck für 0,13 N Schub. Die Düsen und die Ventile selber waren jedoch bei sowohl SSETI-Express als auch ESEO identisch.
 Jeweils zwei ACS- und zwei RCS-Düsen wurden mithilfe eines kleinen selbstentwickelten Aluminiumblockes ("Mounting Device", Höhe nur ca. 5cm) und einem Paar Befestigungsschellen ("Valve Clamps") an den zwei gegenüberliegenden Seiten des Satelliten befestigt. Die 8 eingebauten Miniatur-Ventile stammen aus der Medizintechnik, die Düsen (2cm lang) sind aus Aluminium gedreht und erodiert.

Durch das gleichzeitige Zünden von jeweils zwei Düsen war eine Drehung des Satelliten um alle drei Achsen im Raum möglich.

Propellant Management System (PMS)

Folgende Hauptaufgaben charakterisieren das Propellant Management System (PMS):

• Druckabsenkung des Tankdruckes auf den Betriebsdruck der Subsysteme (ACS, RCS, OCS)
• Abriegelung des kompletten Antriebs während des Starts
• Befüllung des Systems mit Treibstoff
• Sensorik zur Überprüfung der korrekten Funktion
• Abriegelung während der Betriebsphase im Falle von Störungen


Bei SSETI-Express musste lediglich das Lageregelungssystem (ACS) mit Treibstoff versorgt werden. Der Tankdruck betrug dort 300 bar, der Arbeitsdruck des ACS lag bei 1,5 bar.

Die Druckregelung erfolgt über zwei getrennte Druckregler; der erste Hochdruckregler (HPR) senkt den Druck auf ca. 20 bar ab und arbeitet aufgrund der Abnahme des Tankdruckes während des Betriebes nicht absolut exakt. Daher senkt anschließend ein zweiter Niederdruckregler (LPR) den Druck auf 1,5 bar ab.

Die Abriegelung des Antriebssystems erfolgt über ein pyrotechnisches Ventil zwischen den Tanks und dem restlichen Antriebssystem, welches nach der Startphase elektronisch ausgelöst und geöffnet wird. Damit ist die Treibstoffversorgung des Systems sichergestellt.

Vor und hinter dem Pyro-Ventil sitzt je ein Füllventil, damit zum einen die Tanks gefüllt werden können, zum anderen ein Test des fertig integrierten Systems möglich ist.

Anhand von Druck- und Temperatursensoren werden wichtige Daten wie Tankdruck, Temperaturen verschiedener Ventile und des Mediums gemessen. Damit lässt sich z.B. der Schublevel der Düsen ebenso wie auch die korrekte Funktion der Ventile verifizieren.

Das sogenannte ACS-Branchvalve sorgt für die Abriegelung des Systems bei längerer Inaktivität oder im Störungsfall um Treibstoffverluste auszuschließen.

Sämtliche Komponenten des PMS sind in der PMS-Box untergebracht. Diese besitzt eine 300 bar Zuleitung sowie einen 1,5 bar Ausgang, welcher anschließend zu den ACS-Clustern geleitet wird. Die PMS-Box wiegt komplett integriert etwa 4kg.

Die meisten Rohrverbindungen wurden mit Swagelok-Teilen durchgeführt, der Niederdruckregler und das ACS-Branchvalve hingegen geschweißt. Bei ESEO wurde eine größere Anzahl an Schweißverbindungen angestrebt.

Tanks

Die Tanks des Satelliten dienen zur Treibstoffspeicherung. SSETI Express und der European Student Earth Orbiter (ESEO) verfügen über ein Kaltgas-Antriebsystem, in diesem Fall wird Stickstoff als Treibstoff verwendet.

Da raumfahrtqualifizierte Tanks für dieses System aufgrund der Kosten nicht infrage kommen, musste eine industrielle Lösung gefunden werden.

Als Lösung wurden schließlich Tanks der Fa. Mannesmann Cylinder Systems gewählt. MCS stellt Atemschutzflaschen aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) her, welche normalerweise bei der Feuerwehr eingesetzt werden. Bezüglich der mechanischen und thermischen Belastung sind diese Flaschen daher optimal für unsere Anforderungen.

Ein weiterer Vorteil dieser Flaschen ist, dass sie nicht wie üblich eine Kernflasche aus Aluminium haben, sondern stattdessen einen Kern aus Plastik. Damit ergibt sich ein besonders geringes Gewicht (ca. 2.5 kg bei 6 Liter Füllvolumen)! Jeder dieser Tanks beinhaltet etwa 2 kg Treibstoff bei 300 bar Druck.

Auf Express ist einer dieser Tanks mitgeflogen, bei ESEO sollten 3 Tanks mit an Bord sein.

Die Verbindung der Tanks mit der Struktur erfolgt über eigens konstruierte Halter, jeweils 2 Stück pro Tank. Die Flaschen werden senkrecht in den Satelliten eingebaut und sitzen jeweils auf den zwei Sätteln der Tankhalter.
Darin festgehalten werden sie über gespannte Edelstahlbänder, welche eine große Auflagefläche besitzen und damit zum einen für eine große Reibungskraft sorgen sowie gleichzeitig die flächenspezifische Belastung der Tanks gering halten.

Im Oktober 2004 wurden diese Tankhalter separat anhand von Vibrationstests am Institut für Statik und Dynamik der Universität Stuttgart qualifiziert. Beim nachfolgenden Shakertest bei IABG in München im November 2004 mussten sie dann ihre Einsatztauglichkeit im eingebauten Zustand im Satelliten Express unter Beweis stellen. Auch diesen Test bestanden die Tanks ohne Probleme.

Der Einsatz auf Express lief auch im Flug fehlerfrei, und mittlerweile sind diese Tanks auch für Projekte außerhalb von SSETI interessant geworden.

Tubing

Die Verbindung der Hochdrucktanks mit dem Hauptventil und dem Füllventil sowie der der Verbindung der PMS Box mit den jeweiligen Düseneinheitenwird durch das Tubing (Rohrverbindungen) realisiert.Es werden hauptsächlich Edelstahlrohre mit den Durchmessern 1/4" und 3/8" der Firma Swagelok verwendet. Titanrohre, die aufgrund ihrer geringeren Masse Gewichtsvorteile haben, werden nicht verwendet. Das liegt zum einen daran, das diese Rohre sehr teuer sind, was sich mit dem Budget eines Studentenprojektes nicht unbedingt vereinbaren lässt, und zum anderen daran, dass die Gewichtsersparnis aufgrund der insgesamt geringen Menge an Rohren im Vergleich zu Edelstahlrohren nicht übermäßig groß ist.Die Verbindung der einzelnen Rohre mit Ventilen oder anderen Rohren wird entweder durch Schweißen oder durch entsprechende Adapterstücke realisiert. Geschweißt werden die Rohre am Institut für Kernenergetik der Universität Stuttgart mit einer Elektronenstrahl-Schweißanlage. Die Adapterstücke (sog. "fittings") sind zum Teil vom Typ AN und zum Teil vom Typ Swagelok.

Auf Express sitzt das gesamte Rohrsystem direkt auf der Bodenplatte, während es bei ESEO aller Wahrscheinlichkeit nach hauptsächlich unter der Bodenplatte platziert sein wird.

Eine Besonderheit des Rohrsystems ist die symmetrische Auslegung.
Um an den Düsen, die symmetrisch auf der Bodenplatte angeordnet sind, jeweils denselben Druck anliegen zu haben, müssen die Rohre zu den Düsen dieselbe Länge und dieselben Biegeradien haben. Somit wird erreicht, dass das durchströmende Gas auf dem Weg zu egal welcher Düse immer den gleichen Druckabfall erfährt. Am Beispiel der Rohrleitungen zu den ACS-Düsen kann dies erläutert werden: die eine ACS-Rohrleitung, die aus der PMS Box kommt, teilt sich genau in der Symmetrieachse der beiden ACS-Düsen in zwei getrennte Stränge, die dann spiegelbildlich auf dem jeweils gleichen Weg zu den ACS-Düsen geführt werden.

DDie Halterung der Rohre auf der Struktur wird mit konischen Bauteilen bewerkstelligt, die auf die Aluminiumoberfläche der Bodenplatte geklebt werden. Als Klebstoff wird Araldite AV938 verwendet. Die Anbindung der Rohre an diese konische Ständer erfolgt über eine Schelle, die mit Edelstahlwolle als Dämpfmaterial ausgekleidet ist.

Da wir beim Bau vom SSETI Express sehr positive Erfahrungen mit den verwendeten Bauteilen gemacht haben, werden diese mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf ESEO eingesetzt werden. Allerdings wird überlegt, mehr Rohrverbindungen als bisher zu schweißen, da geschweißte Verbindungen, wenn richtig ausgeführt, 100%-ig dicht sind. In diesem Zusammenhang wird auch über die ausschließliche Verwendung von AN-Verbindungen nachgedacht, da diese problemlos wiederverschließbar und viel einfacher dichtzukriegen sind.

Ergebnisse

Missionsziel 1 war die Demonstration eines von Studenten in pan-europäischer Zusammenarbeit entwickelten Satelliten und des dahinter stehenden Netzwerks von Universitäten und Institutionen. Mit der Integration, dem Durchlaufen der Testkampagne und dem Start von SSETI EXPRESS zeigen sich die Möglichkeiten und Eignung des SSETI Programms selbst und aller involvierten Studententeams.
Missionsziel 2, das Aussetzen dreier Picosatelliten, ist ebenfalls teilweise erfüllt. Zwei der drei von verschiedenen Universitäten gebauten CubeSats wurden erfolgreich in den Orbit gebracht und haben inzwischen ihre eigenständigen Missionen aufgenommen.
SSETI EXPRESS hat sich planmäßig aktiviert und erste Daten genau nach Zeitplan an die Bodenstation übertragen. Dies zeigt den erfolgreichen Start des Satelliten und die Trennung von der Trägerrakete.
Die primäre SSETI Bodenstation in Aalborg konnte zuverlässige Zwei-Wege-Kommunikation mit SSETI EXPRESS herstellen.
Eine bedeutende Menge an Housekeeping Daten wurden vom Satelliten heruntergeladen, welche eine detaillierte Analyse der Situation zulassen. Dies hat auch das weltweite Netzwerk von Radioamateuren mit eingebunden, die uns wertvolle Unterstützung und zusätzliche Daten liefern konnten.

Um die Sicherheit der anderen Satelliten auf demselben Träger zu gewährleisten, blieb SSETI EXPRESS nach der Trennung zunächst für 65 Minuten inaktiv, bevor die drei CubeSat-Passagiere ausgesetzt wurden.
In dieser Zeit musste die durch die Solarzellen aufgefangene Energie dissipiert werden. Nachweislich scheint dieses Dissipationssystem versagt zu haben und behindert nun die Aufladung der Batterien. Die Batteriespannung sank kontinuierlich während der Missionszeit, bis der Satellit nach etwa 6,5 Stunden in den Safe Mode umschaltete und sich schließlich deaktivierte.